"Wir müssen unbedingt etwas ändern" hören wir überall. Ob's mit Neujahrsvorsätzen zu tun hat, mit Unternehmensinitiativen oder mit den Umbrüchen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik: Wir wissen alle um die Notwendigkeit der Veränderungen (und oft auch was zu tun ist). Doch die Umsetzung ins Tun ist die Herausforderung - dicht gefolgt von "Wie hole/n ich/wir die anderen mit ins Boot?".
Dabei gibt es einen Schlüssel dafür, wie Veränderung in Gang zu bringen ist: Menschen ein Gespür zu vermitteln, wie es sein könnte, wenn die Veränderung schon stattgefunden hätte.
Das Problem liegt in der Gegenwart
Wir alle leben im Hier und Heute. Da ist unser Alltag, den wir oft in Routine meistern, in dem wir uns auskennen und den wir zumindest in gewissem Maße schätzen. Doch natürlich sind da auch die Dinge, die uns (an uns, an anderen oder an den Verhältnissen) ärgern und für die wir uns daher Veränderungen wünschen, mal kleinere, mal grundlegende. Viele davon realisieren wir auch direkt, doch oft bleiben gerade diejenigen, die wirklich eine bedeutsame Veränderung einleiten würden, auf der Strecke. Warum?
Es liegt an unseren biologischen Hirnstrukturen: Früh und oft erlebte Muster sind tief verankert, insbesondere in den Strukturen, zu denen wir keinen bewussten Zugang haben. Sie steuern unser Verhalten besonders wirkungsvoll, so dass wir trotz bewusster Änderungsbemühungen immer wieder besonders leicht in alte Muster zurückverfallen.
Außerdem hat die Wissenschaft erwiesen, dass wir intuitiv das mehr gewichten, was wir heute haben, erleben und schätzen, als das, was die Zukunft an Schönem bringen könnte, wenn wir etwas änderten. Selbst wenn die Belohnungen in der Zukunft deutlich höher ausfielen. Der Spatz in der Hand, und so!
Ist Veränderung also unmöglich?
Natürlich ist dies eine rhetorische Frage, denn die Welt- wie auch unsere eigene Geschichte zeigen uns ja ständig auf, dass Veränderung möglich ist und ständig passiert. Doch wir sollten Veränderungen eben so angehen, dass wir unserer "biologischen Bauweise" gerecht werden.
Denn Wissen, Erfahrungen, Kompetenzen sind ja nicht nur rationell in unseren Gehirnen abgespeichert. Vielmehr finden sie sich in neuronalen Netzwerken wieder, indem die Wahrnehmungen aus allen unseren Sinnen miteinander verknüpft sind: Gerüche sind ebenso damit verknüpft wie visuelle und akustische Eindrücke, haptisches Empfinden, Emotionen u.v.m. Darum ruft beispielsweise Musik oft Empfindungen und Erlebnisse in uns hervor, die eigentlich nicht notwendigerweise damit verknüpft sind. Und das alles ist natürlich von Mensch zu Mensch höchst unterschiedlich, um es mal nur am Rande zu erwähnen.
Auf die Haltung kommt es an
Bei Veränderungen neigen wir also leider dazu, uns mit dem Problem zu beschäftigen, das wir lösen wollen. "Das da muss weg, damit es besser wird!" ist der reflexhafte Gedanke. Wer sich aber damit befasst, wie ärgerlich ein Problem ist, der beschäftigt sich bestenfalls mit der Gegenwart. Und natürlich drehen sich die Gedanken dann auch primär darum, was negativ ist - und rufen damit immer weitere negative Empfindungen aus unseren neuronalen Netzwerken wach. Was leider allerdings nicht zuträglich dafür ist, kreative und neue Lösungen zu finden. Denn wenn das Problem leicht aus der Welt zu schaffen wäre, hätte man das ja längst getan, und es wäre kein Problem mehr.
Echte Lösungen, die in die Zukunft weisen, erfordern aber den Bruch mit bisherigen Denkmustern: Kreativität ist gefragt, und die entsteht erst in einem Klima von Gelassenheit und Zuversicht, dass Lösungen zu schaffen sind. Kurz: Es gilt, diejenigen neuronalen Netzwerke in unseren Gehirnen zu aktivieren, die uns genau diese Emotionen verschaffen.
Geschichten des Gelingens und Bilder der Zukunft
Wenn wir uns an Episoden in unserem Leben erinnern, in denen wir erfolgreich Herausforderungen gemeistert haben, dann werden auch vermeintlich hilflose Menschen wieder handlungsfähig. Es eröffnen sich neue Wege, die man vor lauter Problemtrance vorher nicht wahrgenommen oder vorschnell verworfen hat.
Doch es geht nicht darum, an die gute alte Zeit zu erinnern - eine Falle, in sich leicht stellt! Sondern es geht darum, die Emotionen der Zuversicht, des Wohlgefühls und der Selbstwirksamkeit zu extrahieren, die man aus der aktuellen Problemlage heraus wiederherstellen möchte, und daraus dann zu entwickeln, wie es in Zukunft sein soll. Die Atmosphäre ändert sich schlagartig, wenn Menschen an Geschichten des Gelingens denken, selbst wenn es tradierte Geschichten oder die anderer Menschen sind.
Je konkreter und vielfältiger Menschen in sich hineinspüren, dabei für sich und andere auf allen Sinneskanälen vergegenwärtigen und beschreiben, wie sich die Zukunft anfühlen könnte und sollte, desto mehr Energie und Wille entsteht dafür, dazu beizutragen, dass der Wunsch Wirklichkeit wird. Es ist also wesentlich, hinreichende Zeit darauf zu verwenden.
Dann lässt sich auch behutsam die Akzeptanz erarbeiten, dass mit dem Wandel der Zeit auch die Verhältnisse heute andere sind und in Zukunft noch anders sein werden. Und es lässt sich darüber entwickeln, welche Faktoren denn wirklich, wirklich wichtig sind für eine gelingende Zukunft. Woran man merken würde, dass sie eingetreten sind. Wie sie sich anfühlen werden und erleben lassen.
Sind bei einem Änderungsprozess mehrere Beteiligten gibt, ist es auch unumgänglich, dass alle in diesen Prozess der Visionsentwicklung mit einbezogen werden. Nur die unmittelbare Involvierung löst die wirklich tiefgehende innere Bereitschaft aus, sich aus der heutigen Situation herauszubewegen und auf Neues einzulassen. Sie stellt sicher, dass auch die Bedürfnisse aller Beteiligten sich in einem gemeinsam als erstrebenswert erachteten Zukunftsbild wiederfinden. Und so erübrigt dieses gemeinsam entwickelte Zukunftsbild nicht nur späteren Widerständen, sondern wird auch in der eigentlichen Lösungsfindung und -umsetzung allen Beteiligten fortwährende Kraft und Orientierung bieten.
Et hätt noch emmer joot jejange!
Wenn - und zwar ERST wenn!!! - die erstrebenswerte Zukunft so "durchgefühlt" wurde, dass sie sich schon real anfühlt, dann ist es an der Zeit, sich der Frage zu widmen, WIE diese Zukunft herbeigeführt werden kann. Dann stellt sich der magische Durchbruch ein und lassen sich kreativ und innovativ die Mittel und Wege erarbeiten, wie man die erstrebte Zukunft ins Leben ruft: "Wir könnten doch vielleicht das und das mal probieren."
Und dann entwickelt sich auch eine Kultur im Umgang mit den Veränderungen, wie sie das Kölsche Grundgesetz sehr weise beschreibt.
Dieser Artikel wurde inspiriert von einem scobel-Beitrag, den Sie hier finden. Für tiefergehende Lektüre empfehle ich Ihnen außerdem gerne ein Buch des Hirnforscher Gerhard Roth und den Ansatz von Gunther Schmidt.
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