Was mich in meinen Aktivitäten täglich umtreibt, ist die Tatsache, dass wir mit der Digitalisierung (aber auch im Hinblick auf die großen gesellschaftlichen und politischen Themen unserer Zeit) einen Paradigmenwechsel erleben: Nämlich dass Erfolg künftig ein anderes Miteinander (Unternehmen - Kunden, Unternehmen - Mitarbeiter, Führungskräfte - Mitarbeiter, Abteilung A - Abteilung B, Unternehmen - Zulieferer, etc.) erfordert - und zwar eine hierarchiereduzierte Kollaboration auf Augenhöhe. Entsprechend trat ich bei der Digital XChange mit dem Thema "Digitalisierung erfordert Kulturwandel! Echt jetzt - oder wieder nur so Beratergequatsche?" an.
Schon bei der Einreichung meines Beitrags hatte ich allerdings Zweifel: Die Veranstaltung fand am Campus Gummersbach der TH Köln statt. Ich spreche ausdrücklich meinen Dank aus für diese Gastgeberschaft, die eine so große und gut besuchte Veranstaltung überhaupt erst ermöglicht. Dennoch sind die zur Verfügung stehenden Räume ein Alptraum für das, was ich vertrete (Lebendigkeit, Menschlichkeit, Austausch, Inspiration, Gruppenarbeit unter Einbeziehung aller etc.): Kleine Räume, ausgestattet mit Beamer und Leinwand, Teilnehmer sitzen in tw. festinstallierten Stuhl- und Tischreihen. Monologer Frontalvortrag scheint da gesetzt, Interessenten sind zu reinen Informationsempfängern degradiert. Außerdem stehen jedem Sprecher maximal 45 Minuten zur Verfügung, und wie in einer gut geölten Maschine sind bestimmt ca. 100 Vorträge stündlich getaktet von 9-16 Uhr. Wie konnte ich da glaubwürdig - und wie immer erlebnisorientiert - mein Anliegen vermitteln?!
Doch irgendwann "schnackelte" es: Genau dieses Setting gab mir ja die Steilvorlage! In fünf Minuten (ehrlich!) stand mein Konzept: In den ersten 10 Minuten schlug ich meinen Teilnehmern einen Vortrag zu den Auswirkungen der Digitalisierung, zu dem damit einhergehenden Paradigmenwechsel und dem Konzept der Agilität um die Ohren. Und fragte dann "Haben Sie jetzt in den letzten Minuten wirklich etwas gelernt, was Sie nicht schon wussten?" Betretenes Schweigen trat ein. Dann kam erstes zögerliches Kopfschütteln. Ich fragte: "Wie erreichen wir denn jetzt Agilität, was ist zu tun?" Einige Wortmeldungen kamen, mit eigenen Erfahrungsberichten und guten Hinweisen, wie Veränderungen eingeleitet werden können. Das Energielevel im Raume stieg.
Dann fragte ich die Teilnehmer, ob sie sich mit mir auf ein paar Experimente einlassen wollten. Zwei Teilnehmer verließen still den Raum, alle anderen nickten, wenn auch teilweise vorsichtig. Ich bat die Teilnehmer, sich paarweise einfach mal eine Minute gegenseitig und stillschweigend zu betrachten. Und sich dann ein wertschätzendes Kompliment zu einer beim Gegenüber vermuteten Kompetenz o.ä. zu machen. Anschließend lud ich alle Teilnehmer ein, mit mir in den Gang vor den Raum zu gehen; ganz ohne Aufforderung stellten sich alle im Kreis auf. Der Gang war kein optimales Setting: zu eng für diese Anzahl Personen, wenn auch 3-4 m breit, dunkel und schallig. Ich bat die Teilnehmer um Rückmeldung, wie sie die Komplimente erlebt hatten, und um Vermutungen, warum ich sie in den Gang gebeten hatte.
Und dann kamen die von mir angestrebten Erkenntnisse: "Die Aufforderung zu Komplimenten hat gleich eine positive Atmosphäre geschaffen, die Verbundenheit und Neugier erzeugt hat.","Ich bin ins Gespräch gekommen mit fremden Personen.", "Ich habe von jemandem, der mich garnicht kannte, ein Kompliment erhalten, in dem ich mich gut wiederfinde.", "Die Bewegung vor den Raum hat Energie zu mehr Veränderung erzeugt.", "Hier draußen kann ich alle - nicht nur Sie als Workshopleiterin - sehen.", "Ich kann mich hier freier bewegen und denken." usw. Mein Herz hüpfte und die Anspannung, die sich vorher sicher deutlich gezeigt hatte, legte sich. Ich stellte die Rückmeldungen in den Kontext meines vorherigen Vortrags zu Agilität und Kulturwandel. Warum also Raumkonzepte oder die Art, wie man Meetings und Begegnungen angeht, eine Rolle spielen dafür, ob Menschen Verbundenheit entwickeln und ein Team daraus erwachsen kann. Dass die Art, wie man Menschen adressiert und eine Aufgabe angeht, darauf starken Einfluss nimmt, ob sie sich eingeladen fühlen, sich zu öffnen und aktiv einzubringen. Dass es in Ordnung ist, wenn Menschen das nicht wollen und sich ausklinken, weil die, die bleiben, die richtigen sind.
Dann machten wir erneut ein "Spiel": Jeder Teilnehmer guckte sich still zwei andere Teilnehmer aus - und dann erhielten alle die Aufgabe, sich zu den jeweiligen anderen so hinzustellen, dass zu beiden derselbe Abstand hergestellt wurde. Fast alle setzten sich in Bewegung, hohe Dynamik entstand (soweit der enge Gang das zuließ), doch schon nach kurzer Zeit entstand ein recht eng stehender "Knubbel" aus Leuten, die sich immer mehr stabilisierten, bis schließlich die gesamte Gruppe erneut stand. Die Rückmeldungen, was das mit Veränderungsprozessen zu tun haben könne, waren: "Wahnsinn, was da für eine Energie entstand", "Meine Bewegung (Veränderung) löste eine Kettenreaktion anderer Bewegungen aus", "Alles stand in Verbindung miteinander", "Alles hat sich verändert, obwohl wir doch nur mit zwei anderen verbunden waren" usw.
Ich schreibe diesen Bericht basierend auf meinen Erinnerungen; ich lade die Teilnehmer ein, ihre Kommentare zu ergänzen, denn sicherlich habe ich vieles Wichtiges nicht aufgenommen. Ich fand es wieder einmal aufregend und bereichernd zu sehen, wie Menschen sich auf ganz Ungewöhnliches und Neues einlassen können, sobald sie etwas Vertrauen gefasst haben. Wie Erkenntnis nicht durch Lehren, sondern durch Selbsterfahrung entsteht. Wie Arbeiten als Gruppe dann richtig Spaß macht und selbst in so kurzer Zeit ein kleiner Verbund von Menschen entsteht - und vor allem Lust und Neugier auf mehr. Was denken Sie? Ich lade Sie zum Austausch ein!
P.S.: Ich möchte mich gerne auch bei den Organisatoren der Digital XChange bedanken, dass sie zum wiederholten Mal eine so große und vielfältige Veranstaltung professionell organisiert haben. Auch ich habe in den anderen Vorträgen noch spannende Inspiration gefunden und meine zu beobachten, dass der Anteil der Vorträge steigt, die sich weniger der technischen, denn der menschlichen Seite der Veränderung widmen. Weiter so, ich freue mich auf ein nächstes Mal!
Den Bericht zu meinem Workshop bei der vorjährigen Digital XChange in 2018 finden Sie hier.
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